Psychotraumatherapie

Ein Trauma lässt sich als seelische Verletzung verstehen, die die natürlichen psychischen Schutzmechanismen überfordert. Während umgangssprachlich der Traumabegriff für verschiedenste schmerzliche Lebensereignisse verwendet wird, ist er in den zur medizinisch-psychotherapeutischen Beurteilung und Behandlung maßgeblichen Klassifikationssystemen (derzeit noch ICD-10 und DSM V) wesentlich enger definiert.

Als „Psychotrauma“ oder "potentiell traumatisierende Ereignisse“ (PTE) bezeichnet man dort Ereignisse, die durch Bedrohung mit Tod, körperlicher Verletzung, sexueller Gewalt oder emotionale Misshandlung und Vernachlässigung gekennzeichnet sind und die bei fast jedem tiefe Verzweiflung auslösen würden. Diesen Ereignissen kann man durch direktes Erleben, Miterleben bei Anderen, Mitteilung, dass dies einem Familienmitglied oder Freund widerfahren sei oder die wiederholte Konfrontation mit aversiven Details traumatischer Situationen (vor allem beruflich bedingt bei Notfallhelfer*innen, Polizist*innen usw.) ausgesetzt sein

Psychische Traumata können durch eine einmalige (Typ-I-Trauma) oder über längere Zeiträume andauernde Einwirkung mit vielen Einzelereignissen (Typ-II-Trauma) entstehen.

Folgen von Psychotraumata können verschiedene psychische Störungen sein. Häufig und besonders spezifisch ist die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Betroffene leiden unter

  • Wiedererleben (auch: Intrusionen), z. B. wiederkehrenden, sich aufdrängenden Eindrücken und Erinnerungen aus der traumatischen Situation, innerer Bedrängnis und/oder körperlichen Stressreaktionen, Albträumen oder dissoziativen Reaktionen (Person fühlt und handelt wie während des Ereignisses),
  • einer anhaltenden Übererregung und
  • Vermeidungsverhalten hinsichtlich Umständen, die an das Trauma erinnern könnten (dieses ist nicht immer umfänglich bewusst)

Kommen zusätzlich tiefgreifende Probleme mit der Emotionsregulation ein negatives Selbstkonzept und Probleme im zwischenmenschlichen Bereich dazu, spricht man gemäß der bald gültigen ICD-11 von einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung (kPTBS).

Wir wissen heute, dass die Aufrechterhaltung der (k)PTBS vor allem darüber geschieht, dass in traumatischen Situationen Erinnerungen vom Gehirn nicht auf normalem Wege als vollständige Erinnerungen gespeichert werden können. Dadurch bleiben Erinnerungsbruchstücke durch verschiedenste Auslöser stark aktivierbar, so dass Betroffene plötzlich wieder Bilder, Filmsequenzen, Emotionen, Sinneseindrücke oder Körperempfindungen aus der traumatischen Situation so empfinden, als würde das traumatische Ereignis gegenwärtig wieder stattfinden. Dies ist belastend und umso schwieriger, als sich automatisch Mechanismen bilden, um entweder gar nicht an Aspekte der traumatischen Situation erinnert zu werden (Vermeidung) oder aus posttraumatischem Erleben zu „flüchten“ (Escapes oder Fluchtmechanismen). Dazu können z. B. Rückzug, Kontaktabbrüche, Dissoziationen, Selbstabwertungen, chronisch wiederkehrende Scham, Schuld oder Wut, aber auch Selbstverletzungen, Substanzkonsum oder Störungen des Essverhaltens gehören. Diese Mechanismen verringern zwar ganz kurzfristig Leid, ziehen aber langfristig erhebliche negative gesundheitliche soziale Folgen nach sich, die die Lebensqualität immer weiter verschlechtern – ein klassischer Teufelskreis.

 

Eine Auswahl der wichtigsten traumatherapeutischen Methoden mit sehr guter Evidenzbasierung sind:

Dialektisch-Behaviorale Therapie für PTBS (DBT-PTSD) integriert Elemente der Dialektisch-Behavioralen Therapie und spezifische Techniken zur Behandlung von PTBS. Durch den Aufbau von Bewältigungsfähigkeiten und die Förderung von Achtsamkeit können Betroffene lernen, mit belastenden Emotionen umzugehen und gesundheitsgefährdendes und therapieschädigendes Problemverhalten zu reduzieren. In einer nächsten Therapiephase werden die traumatischen Erfahrungen mit einer in-sensu-Exposition mehrmals imaginativ durchgearbeitet, um dem Gehirn eine abschließende Verarbeitung der Ereignisse zu ermöglichen.

Cognitive Processing Therapy (CPT) ist eine evidenzbasierte Methode, die darauf abzielt, die Gedanken und Überzeugungen zu untersuchen, die nach einem Trauma aufgetreten sind. Indem man negative Gedankenmuster identifiziert und herausfordert, können Betroffene lernen, ihre Denkmuster zu ändern und ihre Reaktionen auf traumatische Erinnerungen zu verbessern.

Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) ist eine weitere effektive Methode zur Behandlung von PTBS. Hierbei wird der Fokus auf bilaterale Stimulation gelegt, die die Verarbeitung traumatischer Erinnerungen unterstützen soll. Durch Augenbewegungen oder andere Formen der sensorischen Stimulation können die Betroffenen ihre belastenden Erinnerungen neu verarbeiten und emotionalen Distress reduzieren.

Bei der Prolonged Exposure Therapy (PE) versetzt sich der Patient in der Therapiestunde mit Hilfe des Therapeuten imaginativ in die traumatische Situation zurück und durchlebt das Trauma mit allen dazugehörenden unangenehmen Gefühlen noch einmal. Die Therapiesitzung wird auf Tonband aufgenommen und die Patienten erhalten die Aufgabe, sich diese Aufzeichnung zu Hause täglich anzuhören. Bei wiederholter Anwendung dieser Technik klingen die anfänglich heftigen emotionalen Reaktionen ab und die PTBS-Symptome treten in den Hintergrund.